Luka

Was passiert, wenn ein Musiker auf einem Festival nur für einen gaaanz kurzen Moment mal mehr mit der Musik beschäftigt ist als die ganze Zeit nur hinter seiner Hündin hinterherzurennen? Ganz genau: Eine Großfamilie, in der Frauchen, von Beruf Illustratorin und Grafikdesignerin, den ganzen Wurf Welpen schon direkt bei der Geburt in ihr Skizzenbuch malt. Eine Großfamilie, deren Wurfkiste neben dem DJ-Pult und der Plattensammlung zuhause ist. Eine Großfamilie, bei der wahrscheinlich auch die Hundekinder künstlerische Hobbys ausüben werden, wenn sie mal groß sind. Wie soll das sonst anders gehen in dieser wundervollen Umgebung? Zu Besuch in einer der kreativsten Wohnungen von ganz Pankow.
Her name is Luka.
Sie ist ein Mischling, Alter nicht genau bekannt, aus dem Berliner Tierheim (dort wird das Alter geschätzt – über die Zähne). Man könnte einen DNA-Test machen lassen, aber wozu, sagen Claudi und Till. Ein Hund ist so alt, wie er sich gibt. Luka schien sich auf jeden Fall recht jung und sexy zu fühlen, denn sie hat im Sommer 2014 sieben Welpen bekommen.
Ihr hattet ja schon einen gemeinsamen Hund namens Herr Schneider, der leider durch einen S-Bahn-Unfall ums Leben kam. Wie kamt ihr zu Luka?
Claudi: Uns war klar, dass wir wieder einen Hund wollen. Wir waren da so dran gewöhnt, an dieses schöne Leben mit Hund. Wir haben dann noch die Anstands-2-bis-3-Monate gewartet und noch ein bisschen getrauert und dann war auch klar: Es muss wieder einer sein. Und dann sind wir direkt wieder ins Tierheim, die haben da so schöne Hunde.
Viele Leute haben Angst vor traumatisierten Hunden aus dem Tierheim, hattet ihr das gar nicht?
Claudi: Man guckt sich das ja ein bisschen an, führt den Hund Probegassi und dann merkt man schon so, wie der so drauf ist.
Till: Zumal heißt das ja auch: ein Hund lernt immer und hört nicht auf damit. Und dann orientiert sich ein Hund am Charakter der Menschen, bei denen er lebt. Und das heißt, wie verkackt die auch sein mögen, man kriegt sie bestimmt schon hin. Wir hatten ja mit Herrn Schneider ja auch – er war relativ aggressiv gegenüber Rüden – wir haben uns schon ordentlich mitgeprügelt in dem Jahr, in dem er bei uns war. Er war 3 Jahre, als wir ihn bekamen. Der war dann auch zahm und konnte dann auch schon spielen. Es gab kein böses Blut mehr. Und mit Luka ist es gerade ein bisschen genauso: Sie war eigentlich sehr verspielt und sehr freundlich auch gegenüber anderen Hunden, aber jetzt in letzter Zeit, dass sie auch keine Lust hat auf andere Hunde. Es verschlimmert sich mehr und mehr. Aber selbst das werden wir hinkriegen.
Claudi: Herr Schneider war mein erster eigner Hund. Mein Onkel ist Förster und züchtet Dackel, ich war in den Ferien immer dort und bin mit Hunden sozusagen aufgewachsen. Und Til genauso.
Till: Ich bin ja ein Dorfkind. Wir hatten immer drei Hunde. Ich komm aus der Nähe von Rostock, Neustassow.
Claudi: Ich hab mir das immer gewünscht, einen Hund zu haben, schon als Kind. Ich durfte das nicht. Irgendwie dachte ich dann: Warum hab’ ich JETZT eigentlich keinen? Til hat mir mal gesagt: ‚Eigentlich hatte ich fast überlegt, dir einen Hund zu deinem Geburtstag zu schenken.’ ‚Echt? Ja warum hast du das nicht gemacht!?’ Und dann haben wir Anzeigen geblättert und im Tierheim geschaut. Danach haben wir uns entschieden und Herr Schneider mitgenommen. Und weil das so gut klappte, haben wir es wieder gemacht. Till ist 28 und ich bin 29.“
Wie vereinbart ihr Job und Hund?
Claudi: Ich studiere und kann Luka mit in die Uni nehmen und manchmal hab ich Jobs, dann bin ich aber eher selbständig und hab sie dann hier zuhause – und Till macht gerade sein Abi nach. (Alle lachen und hänseln den 28-jährigen als Schulkind)
Till: Als wir uns entschieden hatten, einen Hund zu holen, war ich noch freier Kameraassistent und Claudi war schon on Tour, im Grafikerdasein, und da wir Freie waren, konnten wir uns das immer hin- und herchinchen. Einer hat immer Zeit. Und jetzt umso mehr. Claudi geht zur Uni und ich zur Schule, wir sind halbtags unterwegs. Oder ich kann Luka immer mitnehmen. Das geht in der Kreativszene ganz gut. Bisher war es immer möglich, das zu vereinen.
Habt ihr nie Probleme wegen der Größe eures Hundes, wenn ihr ihn mit zum Job nehmt?
An der Kunsthochschule Weißensee ist es ganz entspannt. Wir sind ein Verbund von 13, 14 Leuten und die freuen sich alle: Wann bringst du Luka wieder mal mit? Ich bin auch gar nicht die einzige, die ihren Hund mitbringt! Das ist echt putzig, die spielen sogar miteinander, dort im Garten. Zwei Werkstattleiter haben auch Hunde.
Berlin mit Hund ist ja kein Problem in Pankow?
Till: Ja, wir haben da schon Glück. Vorher haben wir am Gesundbrunnen gewohnt. Dort wären wir vielleicht nicht so richtig auf die Idee mit dem Hund gekommen. Die Umgebung hat vielleicht für den Gedanken gesorgt. Umgezogen sind wir aus einem anderen Grund: Stress mit den Nachbarn. Wir waren immer zu laut. Wir wollten in ein Erdgeschoss.
Genau, ihr seid doch die mit dem Party-Anhänger und den Papierflieger Open Air Party Reihe?
Till: Wir haben 2011 mit den Papierflieger Open Air Partys gestartet. Einen Generator und eine Anlage hatten wir ja. Das ist ein großer Freundeskreis und wir machen die Partys ohne Erfolgs-, Zeit- oder Gelddruck, so wie es uns gefällt. Luka kommt auch immer mit. Wir haben Wägen gebaut, die perfekt in die Bahn reinpassen, damit wir unterwegs sein können. Aber manchmal sind wir auch mit Sprintern unterwegs. Außer bei der letzten großen Party an der Ostsee ‘Ostseetauglich’, das war die letzte Party. 3 Tage nach der Ostseeparty ging’s los und Luka hat ihre Welpen bekommen.
Gibt’s hier Ärger mit den Nachbarn wegen der 7 Hundebabys?
Hier nicht. Aber wenn du im Internet auf Foren schaust, siehst du, dass ziemlich abgehatet wird über Leute, die „wild“ und nicht als Züchter Hunde in die Welt setzen. Die Leute werden oft sehr angefeindet als sehr verantwortungslos.
Welche Erfahrungen habt ihr mit dem Tierheim gemacht?
Till: Beim Vertrag mit dem Tierheim steht auch drin, dass man mindestens zwei Stunden mit dem Hund draußen sein MUSS. Das muss man unterschreiben. Und nach ein paar Monaten kommen die auch kontrollieren nach : wo ist der Futterplatz, wo ist der Liegeplatz und wie gestaltet man den Alltag. Ein Hund aus dem Tierheim hat viele Vorteile: ein Jahr steuerfrei (alle lachen)
Claudi: Nein, Scherz, die kümmern sich, trainieren die auch, bringen den auch was bei, Gassi-Führer gehen mit den Hunden los und man bekommt auch gratis Hundeschule, bis man mit ihm auch klarkommt.
Wo geht ihr hin, wenn ihr Platz und Luft braucht?
Wir gehen hier einmal unter der S-Bahn durch zur Panke. Eine tolle große Brachfläche. Oder, zehn Minuten mit dem Rad oder eine Viertelstunde zu Fuß entfernt ist die Schönholzer Heide – ein richtiges kleines Wäldchen, kennt man aus den Liedchen vom Berliner Bolle.
Was magst du an Luka besonders gerne?
Claudi: Ich find’s super, dass sie – im Gegensatz zu unserem vorigen Hund – gerne, gerne kuschelt. Aber am liebsten mag ich das hier: Wenn ich mich auf den Boden setze, setzt sie sich auf meinen Schoß. Und dann möchte sie gekrault werden. Das Besondere an ihr: Dass sie so schlau ist. Ich bin mal mit dem Fahrrad zur S-Bahn, von dort einige Stationen bis Buch und von dort mit dem Fahrrad über Felder, Wiesen, Wald, mehrere Straßen zum Reiterhof gefahren – also richtig weit. Luka war beim Reiten dabei, allerdings am Anfang noch superschissig bei Pferden. Und hat sie sich derbe erschrocken, weil die sich gekloppt haben. Ich war mit den Pferden beschäftigt, habe versucht, sie zu beruhigen, drehe ich mich um und da war vor lauter Angst der Hund abgehauen! Er war weg! Ein Tag später, nach der Suche im Wald, ruft ein Typ an, dass er Luka in der S-Bahn gefunden hätte. Und jetzt kommt’s: Da ist der Hund den GANZEN Weg zurück, durch den Wald, über die Felder, über die Straßen zur S-Bahn hochgelaufen, in die S-Bahn und auch noch in die richtige Richtung eingestiegen! Irgendwann hat sich ein Mann ihrer erbarmt: Sie kam an und hat ihren Kopf auf seinen Schoß gelegt, so nach dem Motto: „Nimm mich mit!“. Ziemlich besonders an ihr. Da hat die gute Frau aus dem Tierheim nicht gelogen, als sie sagte: „Das ist der schlaueste Hund, den wir hier haben.“
Wer ist in eurer Konstellation der Chef?
Till und ich, wir sind beide Chefs. Die Doppelspitze nimmt sie an.
Auch nach der schrecklichen Erfahrung mit dem Unfall eures vorigen Hundes geht ihr erstaunlich locker mit Luka um: Sie darf frei laufen. Wie schafft ihr das?
Claudi: Ja, es auch die Freiheit, die sie bei uns hat. Und die Sicherheit, die wir ihr geben. Das wichtigste, ist mit dem Hund richtig zu kommunizieren, damit er weiß, was gemeint ist. Ich glaub, das Schlimmste ist, wenn Hunde es nicht verstehen: ‚Was meint die gerade? Ich versteh dich nicht.’ Das glaube ich, machen wir ganz gut. Deswegen entwickeln wir uns wahrscheinlich auch so schnell miteinander. Sie weiß sofort, wenn sie Scheiße gebaut hat – oder auch, wenn es ganz toll war. Sonst hat sie auch kein schönes Leben. Ich wäre immer dafür einen Hund frei laufen zu lassen. Lieber ein schönes kurzes Leben als ein Leben in Gefangenschaft. Die müssen laufen! Wir fahren auch mit ihr Fahrrad. An jeder Straße muss man dann Sitz machen. Am Anfang hatte sie Angst, aber das haben wir auch gut hingekriegt.
Habt ihr gemeinsame Rituale?
Claudi: Ja! Morgens beim Aufstehen kommt sie erstmal mit auf Toilette und lässt sich dann streicheln. (gackern). Aber das Beste ist unser Morgenritual: Til steht auf, muss früher als ich los; da schickt er Luka immer nochmal zu mir ins Bett. Und dann soll Luka mich eigentlich wachmachen: Sie tut so, als ob sie das täte, aaaber: wenn Til weg ist, dann schlafen wir beide zusammen noch mal ne halbe Stunde wieder ein. Quality Time! Das ist unser Lieblingsritual. Das Schönste ist, dass ich sie überall mit hinnehmen kann – das verbindet uns auch. Das ist auch ECHT toll, man ist nie alleine. Bahnfahren ist auch Quality Time. Da kuscheln wir gemeinsam die ganze Fahrt.
Welches ist Lukas schlechteste Angewohnheit?
Das Bellen. Wenn sie unsicher ist, bellt sie. Fremde Leute – dann bellt sie. Sie wird manchmal laut, noch lauter, knurrt, überdreht sich, aber beißt niemals. Das war bei unserem vorigen Hund ganz anders. Wenn man sie aus Zerrspiel ärgert, beißen, zerren, spielen. Aber daran arbeiten wir! Was auch nervig ist, ist, dass sie alles Essbare auf der Straße einsammelt. Sie war lange ein Straßenhund, wurde in Kreuzberg gefunden, da hat sie das so intus, sich selbst zu versorgen.
Angekommen und jetzt Mutti?
Oh ja. Das fühlt sich toll an, wenn man einem Hund so ein Zuhause geben kann. Die sind so dankbar, gerade wenn die aus dem Tierheim kommen, das merkt man richtig. Bei beiden Hunden, die wir hatten. Ich meine, jeder Hund ist dankbar, wenn man lieb zu denen ist. Hunde sind einfach tolle Wesen. Und die besten Freunde für’s Leben. Ungelogen!
Fotos: Helge Hagen Hoffmann