Hugo

In Berlin gibt es sehr viele Architekten. Doch es gibt sehr wenige, deren Schrittzähler – sofern sie einen hätten – mit der täglichen Zahl der Schritte dieses Architekten mithalten könnte. Zwar ist er nicht so schnell wie Haile Gebrselassie, doch tritt er täglich gefühlt ähnliche Distanzen mit unzähligen Litern Wasser in der mitgeführten Gießkanne an. Noch weniger Architekten haben einen Garten vor ihrem Büro, welcher von motivsuchenden Touristen mit ihren Fotoapparaten so stark frequentiert wird, dass man ein nicht zu geringes Eintrittsgeld am Gartentor dafür verlangen könnte. Doch nichts läge diesem Architekten, Werner, hier ferner. Von einem Hund, dessen Haltern ihre Hinterhof-Oase wichtiger als Ruhm und Ehre ist.
Ich bin Hugo. Und was machst du so?
Hugo, 10, ist ein Boarder Collie-Retriever-Mix mütterlicherseits mit spanischem Wildhund väterlicherseits. Wie kamt ihr zueinander?
Werner: Eine Freundin von Candida aus Conce bei Venedig verreist immer mit den Hunden. Das war immer sehr angenehm.
Candida, Werners wunderbare italienische Frau mit dem liebevoll geführten Kinderschuhladen im Hof antwortet: Es war eigentlich der Hund einer Freundin. Sie hat auch den Vater von Hugo und Hugo selbst war damals immer nur zu Besuch bei uns. Als Welpe war er sogar mal für drei Monate hier, wir haben ihn die Treppen rauf und runter getragen, ins Dachgeschoss – damals hatten wir noch keinen Aufzug im Haus – das schweißt zusammen (lacht). Als wir hier neu waren, ist er immer auf dem frisch verlegten Parkett ausgerutscht und wir waren nur mit dem Putzlappen unterwegs. Das schweißt noch mehr zusammen.” (Sie lacht laut.) Der eigentlichen Besitzerin waren wegen eines neuen Jobs zwei Hunde zu viel, also überlegten wir hin und her. Ich fand die Idee blöd wegen Großstadt und Hund. Naja, seit 4 oder 5 Jahren ist er nun eben doch hier. Ich habe Werner nur gesagt: “Pass auf, es ist dein Hund. ICH bin nur die Tante.” Wie vereinbarst du Job und Hund? Du hast vor einigen Jahren auch noch als Flight Manager am Flughafen gearbeitet?
Candida: Ja, bevor ich 2008 den Kinderschuhladen im Hof aufgemacht habe, musste ich oft früh los – Frühdienst geht um 5 Uhr los. Also Arbeitsbeginn! (lacht, weil ich gerade so richtig doof gucke). Das habe ich noch eine Weile parallel gemacht, bis ich mich getraut habe, dort ganz auszusteigen. Aber ganz davon abgesehen: Hugo ist so pflegeleicht! Er könnte bis zu 15 Stunden aushalten. Muss er natürlich nicht. Werner hat mich überzeugt, weil er hier nicht nur lebt, sondern auch arbeitet. Hugo ist einfach entweder im Garten oder bei Werner im Büro.
Wie schafft ihr Berlin mit Hund?
Candida: Ach, Berlin ist kein Problem! Aber Mailand zum Beispiel ist gruselig mit Hund! Dort gibt es kaum Grünflächen. Stell dir das eher so vor, als wäre alles wie auf dem Ernst-Reuter-Platz. Wir haben hier den Mauerpark oder den Grünstreifen auf der Schönhauser Allee (Anmerkung: ab Kulturbrauerei bis Senefelder Platz). Hier kannst du dich ganz anders bewegen. In Mailand hat ein Hund eher Statussymbol.
Wo geht ihr hin, wenn ihr Platz und Luft braucht?
Candida: Auf die Hundewiese in den Mauerpark täglich. Und am Wochenende in den Wald Richtung Bernau, Wandlitz. Dann ist Hugo total aufgeregt: er bellt, bellt, bellt im Auto und kriegt sich nicht ein. Auf der Rückfahrt ist er dann todmüde. Aber eigentlich ist Hugo wirklich im Sommer meist den ganzen Tag unten in Werners Garten.
Werner: Oder er macht Bürozeit mit mir!
Was mögt ihr an eurem Hund am meisten?
Candida: Wenn er schläft und träumt und zuckt. Ich liebe es, zuzusehen.
Werner: Er hat einen ausgeprägten Charakter mit einer gewissen Eigenständigkeit. Aber er ist auch pflegeleicht. Er begrüßt Leute und geht auf sie zu – leider verstehen sie es nicht so, wie er es eigentlich meint …
Und was liebt er an euch? Habt ihr irgendwelche gemeinsamen Rituale?
Werner: Das Allergrößte ist, wenn wir mit dem Hund rausfahren und es immer grüner wird. Er bellt vor lauter Freude, ziemlich laut wird’s dann im Auto.
Candida: Und Rituale: Ja, wir haben zuhause einen Hundeteppich, das ist einer von drei Teppichen. Aber wenn wir im Bett sind, springt er auf die Couch!
Werner: Ich glaube, er liebt auch seine Essensumstellung, die wir vor einem halben Jahr auf Empfehlung gemacht haben: Ausschließlich Frischfleisch, das wir geliefert bekommen. Täglich frisst er eine Packung, zum Beispiel Rindfleischmix, Truthahnhälse, Leber oder Pansen frisch oder getrocknet. Er ist vitaler geworden seitdem, aufgeweckter und springt mehr herum. Die Frage kommt gerade oft, ob es noch ein junger Hund wäre? – Puro Vivace!
Welches ist die schlechteste Angewohnheit deines Hundes?
(Werner überlegt lange. Sehr lange. Eigentlich mag er gar nichts Schlechtes über Hugo erzählen. Ich sterbe innerlich vor Freude, weil ich sehe, wie er sich ein bisschen windet.) Ich frage: Er mag nicht so gerne schmusen, oder?)
Werner: Früher mochte er noch weniger gestreichelt werden! (Er geht zu Hugo und krault ihn an seiner Lieblingsstelle auf dem Rücken, was Hugo mit Schwanzwedeln im Uhrzeigersinn honoriert.) Sein Vater wurde eine Weile lang als Therapiehund eingesetzt: Er schmust und kuschelt sich an die Menschen heran. Eine Frau, die 3 Jahre im Wachkoma war, hat er mit seinem Kuscheln zu Tränen gerührt.
(Ich bohre nochmal nach: Gab’s da nicht die Sache mit den Klinken?) Ja, Hugo kann die Türklinke runterdrücken. Einmal war er in der Klinik und hat sage und schreibe fünf Türklinken hintereinander aufgemacht – bis er auf dem Bürgersteig der Veterinärmedizin stand.
Fotos: Helge Hagen Hoffmann