Django

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Indischer Papa, deutsche Mutter, selbst dreisprachig in Ottawa, Kanada aufgewachsen – und ich kenne sie aus dem Maria Bonita, einem der leckersten mexikanischen Imbisse der Stadt: Sascha Sardana. Ihre Geschichte macht all denjenigen Mut, die darüber nachdenken, mit einem Hund leben zu wollen, aber sich aus den verschiedensten Gründen keinen eigenen anschaffen: Sie und ihre Freundin Nina unterstützen einfach ein Pärchen mit Hund aus ihrem Haus. Als ehrenamtliche Tagesmütter. Und das seit vielen Jahren. Sascha erzählt uns von der langsamen Verwandlung eines äußerst ängstlichen, misshandelten Junghundes in einen verschmusten König.


Erzähl mir eure Geschichte.

Meine Mutter kam aus Danzig. Ich habe viel mit Deutschland zu tun gehabt durch meine Familie. Für ein Jahr wollte ich in Deutschland studieren – und dann bin ich in Bielefeld gelandet. Eigentlich wollte ich zurück nach Kanada, aber dann habe ich Nina kennenglernt … wir blieben ziemlich lange in Hamburg. Und seit 2003 sind wir in Berlin.

Ich bin mit Hunden aufgewachsen. Als ich neu war in Berlin, habe ich Hunde natürlich vermisst. Aber meine Freundin hat eine Anzeige unten im Hausflur hängen sehen: Wer möchte mit unserem Hund spazieren gehen? Ich bin eigentlich eher der schüchterne Typ und dachte: Soll ich da anrufen oder nicht? Nina hat mich überzeugt, und so kam es, dass ich ihn am nächsten Tag kennengelernt habe. Das Paar, das den Zettel aufgehängt hatte, hatte einen Hund aus dem Tierheim übernommen. Der Hund war auf dem Weg der Besserung. Aber er ist geschlagen worden von seinem ersten Besitzer. Männern traute er überhaupt nicht mehr, schwarze Klamotten waren ein riesiges Problem für ihn. Oder auch alles, was sich bewegt: Als sie ihn bekamen, konnte er das Haus gar nicht verlassen. Doch sie haben viel mit dem damals 1-jährigen trainiert. Wie man sieht, ist er jetzt fast geheilt.

Ursprünglich war es nur so angedacht, dass ich mit dem damals 2-jährigen nur in den Park gehe. Aber da ich hier auch in meinem Home Office arbeite und sie ein Café haben, wo sie ihn nicht mitnehmen konnten, schlug ich vor: Er kann auch bei mir bleiben, ich muss ihn nach dem Gang in den Park nicht wieder nach Hause bringen. Das machen wir jetzt schon seit 5 Jahren. Jetzt hat er hier sein Bett, der schläft auch manchmal hier. Wir haben auch eine Hütte am Schwielowsee, Django kommt mit und übernachtet da. Hier hat er auch seine Spieleecke, er weiß, wo alles ist: He has two homes! Die Besitzer sind auch toll, denn es ist so flexibel, wie wir uns koordinieren. Es läuft seit 5 Jahren wunderbar.

Musstest du dich lange überwinden, bis du dich getraut hast, nach dem „Hund teilen“ zu fragen?

Wir wollten uns eigentlich nur tagsüber und abends kümmern. Doch es ist Familie geworden. Ich freue mich jedes Mal. Wichtig für Nina und mich ist aber, dass Django sein richtiges Zuhause hat. Er kann bei uns übernachten, weil die Besitzer in den Urlaub gefahren sind über’s Wochenende – und UNS danach gefragt haben, ob wir es so machen könnten! Ich mache das hier eigentlich ehrenamtlich. So ist das entstanden, ungefähr 3 Jahre später. Ich bin sehr dankbar, dass ich das hier darf.

Wie schafft Django das Aufteilen?

Eigentlich ist klar: er geht abends wieder. Am Anfang hatte ich gedacht, ich wäre dann traurig, aber es ist wirklich kein Problem! Django kommt sehr gut damit klar. Er hat so viel Liebe und Aufmerksamkeit bekommen, ist so kuschelig geworden – und ich glaube, durch die viele Arbeit von beiden Seiten.

Zuerst war es immer schwierig. Als ich ihn nach Hause gebracht habe, er ist unter den Tisch gekrabbelt und hat mich traurig angeguckt, weil die Besitzer noch nicht zuhause waren. Jetzt macht er das nicht mehr. Er geht einfach rein, setzt sich hin, guckt mich an, will nochmal schmusen. Aber ist total locker geworden damit.

Man kann so schön mit ihm kuscheln, es ist absolut erstaunlich, wie er sich entwickelt hat, wie er das zulässt. (Wir freuen uns alle, dass er auch gerade mit dem Fotografen totale Entspannung zeigt. Mist, davon habe ich jetzt natürlich gar keine Fotos, wie schade!)

15363966270_6815f07c16_oWie hat sich seine Angst konkret geäußert?

Wenn du irgendwas Stockähnliches in der Hand hättest, würde er bellen, zurückweichen und einen Bogen darum machen. Wir wissen natürlich nicht genau, was passiert ist. Aber wenn du etwas in der Hand hättest und es schnell bewegst, dann kommt diese Reaktion. Er hat trotz seiner starken Störung, hervorgerufen durch die Misshandlungen, nie gebissen, nie attackiert. Er ist mit uns gewachsen. Nina hatte am Anfang Angst vor Hunden und sie verstehen sich so gut jetzt. Wir planen immer schon unsere Wochenenden mit ihm, ob wir ihn sehen können; es ist fester Bestandteil geworden, dass wir ihn ein paar Stunden sehen können.

Wo geht ihr hin, wenn ihr Platz und Luft braucht?

Wir haben uns erkundigt nach diesen ganzen Hundeauslaufgebieten. Unser Lieblingsauslaufgebiet ist Blankenfelde (wenn dich das interessiert, schau hier). Dort kann man ihn loslassen, ohne Leine laufen lassen, man kann einfach nur über Felder laufen. Das ist riesig. Sonst geht es nicht ohne Leine, denn er versteht Autos nicht.

Wie vereinbarst du Job und Hund?

Selbständig war ich schon immer, habe noch nie in einer Firma gearbeitet. Ich arbeite gerade in der Mischung von 3 Jobs, drei verschiedenen Welten: Ich bin Trainer und Coach für interkulturelle Kompetenzen. Ich vermeide es eher, den Hund hier zu haben, wenn ich Klienten hier habe. Die Arbeit im Maria Bonita ist für mich eine Abwechslung ein bis zwei Mal die Woche. Ich wollte das als Gegenpart zu meinem Home Office Job, weil ich oft hier für mich bin. Ich brauchte eine neue internationale Umgebung für mich als Spaß, als etwas Neues. Eigentlich gebe ich Trainings für englische Präsentationen, für Kunden aus Kanada und Deutschland: Wie geht man mit deutschen oder nordamerikanischen Kunden um. Das mache ich seit 2003. Und gerade baue ich ein neues Unternehmen mit einer Yogalehrerin auf, omawayfromhome.de, wir bieten Yoga Retreats innerhalb von Deutschland und Europa. Aber leben ohne Hund? Geht nicht. Ich liebe diese Kombination; wir sind frei, wenn wir in den Urlaub fahren. Djangos Besitzer sind so unkompliziert und flexibel, das ist wirklich toll. Wir sind mittlerweile befreundet, ab und zu gehen wir essen oder joggen. Es hat sich gut entwickelt.

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Wie schaffst du Berlin mit Hund?

Hier auf dem ehemaligen Friedhof, den wir genau gegenüber in der Heinrich-Roller-Straße haben, ist durch eine Bürgerinitiative gegen die Bebauung gegenüber der wunderschöne Leisepark entstanden. Ein toller Erfolg für die Leute aus dem Haus. Allerdings haben Hunde keinen Zutritt … Wir gehen in den Volkspark Friedrichshain, dort sind 2 Berge – sehr gut für unsere große Runde. Die kleine Runde geht einmal um den Wasserturm. Django muss 3 bis 4 Mal am Tag raus. Früher hatte er sehr viel Energie und Bewegungsdrang. Ab 8 Jahren ist er ruhiger geworden. Er mag keinen Regen und drückt sich dann nur an Hauswänden entlang.

Welche seiner Eigenschaften magst du am meisten?

Dogs make my heart sing. Django macht alles mit, es ist so schön. Ich mag seine Frechheit. Er ist ein schlauer Hund. Wenn man seine Ruhe haben will, dann überlegt er, wie er deine Aufmerksamkeit wiederzubekommen, nimmt sich z. B. ganz sanft ein Blatt Papier und rennt weg. Dass er so kuschelig ist. Ich liebe alles. Ich geb’s zu. Es ist Kinderersatz: This is my kid. Ich tu alles für ihn. Schenke ihm viel. Manchmal kriege ich Ärger von Nina, dass ich zuviele Turkeys oder anderes Spielzeug für ihn kaufe. Ich sage dann: I don’t care. He’s worth every penny.

Django_10Habt ihr irgendwelche gemeinsamen Rituale?

Wenn ich nach Hause komme, setze ich mich auf den Stuhl im Flur, er legt seinen Kopf in meinen Schoß und ich soll ihn so kraulen. Oder er legt sich auf flauschigen Teppich und gibt mir Zeichen, dass ich mit ihm spielen oder streicheln soll. Er wird immer schmusiger. Irgendwann kommt dann der Schrank: dort kratzt er und will ein Leckerli. Das kam erst in letzter Zeit hinzu, das ist SEIN Ritual – ICH mag es überhaupt nicht. Ansonsten weiß er genau, was er dort darf und was er hier darf (er darf übrigens alles hier bei uns). Je mehr Leute da sind, desto größer die Runde ist, desto besser: wenn Nina hier ist, ist alles komplett und er ist glücklich.

Welche Besonderheiten hat Django noch?

Er zieht immer noch viel an der Leine. Aber er kann nicht ohne Leine raus, nicht nur bei uns, sondern auch bei den Besitzern. Er würde einfach rüberlaufen. Das würde ich mir wünschen, dass er das verstehen würde. Aber er kapiert es nicht, versteht Autos und Straßen nicht. Ansonsten ist er very gentle with food (vor seiner Nase wird ein Tablett mit Keksen herumgereicht, er macht unglaublicherweise keinerlei Anstalten, einen schnappen zu wollen). Und er LIEBT Kinder. Auf der Straße haben alle Angst vor ihm: ‚Oh guck mal, da ist ein Wolf’. Das finde ich so schade. Denn sobald die Kinder ihn kennenlernen, merken alle, dass er richtig weich und sanft mit Kindern umgeht.


Fotos: Helge Hagen Hoffmann



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